Zeitschrift für osteuropäisches Recht

Die Zeitschrift für osteuropäisches Recht (ZoeR) erschien von 1934 bis 1944 im Auftrag des Osteuropa-Instituts der Universität Breslau. Als „Grenzland-Universität“ war Breslau mit seiner juristischen „Stoßtruppfakultät“ noch vor Königsberg und Posen Hauptort der deutschen Ost- und Ostrechtsforschung. In der Monatszeitschrift des Berliner Verlags Carl Heymanns fanden neben Aufsätzen und Rechtsetzungs-, Rechtsprechungs- und Literaturübersichten auch Institutsmitteilungen sowie Buchbesprechungen Platz. Die Beiträge zu den einzelnen Staaten Osteuropas waren länderbezogen geordnet.

In der Zeitschrift für osteuropäisches Recht nahmen die Aufsätze mit Ungarnbezug einen (im Vergleich zum anfangs deutlich öfter thematisierten Polen und der Sowjetunion) durchschnittlich hohen Anteil, die Übersichten zur Rechtsetzung und Rechtsprechung Ungarns hingegen einen unterdurchschnittlichen ein. Im Mittel erschienen – neben umfangreicheren Rechtsprechungs- und -setzungsübersichten – pro Jahr zwei Aufsätze mit Ungarnbezug. Thematisch waren diese breit gestreut und vor allem in den ersten Jahren etwa im Vergleich zur Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht fachspezifischer, sachlicher und weniger grundsätzlich-politisch. Schwerpunkte gab es im Zivil- und Wirtschaftsrecht. Bis 1940/41 schrieben ausschließlich ungarische Autoren die Aufsätze über Ungarn, ehe sich dies bis zur Einstellung der immer dünner werdenden Zeitschrift deutsche und ungarische Autoren teilten.

Faktisch war die Zeitschrift für Ostrecht (1927–1934), die gleichfalls vor allem das Breslauer Osteuropa-Institut herausgegeben hatte, direkter Vorläufer. Auffällig ist das Fehlen einer offiziellen Kontinuität, zu der sich trotz zahlreicher Parallelen (Inhalt, Verlag und Druckerei) weder die alte noch die neue Zeitschrift äußerte. Grund für den bemerkenswerten Bruch dürfte die jüdische Herkunft der meisten vormaligen Herausgeber der Zeitschrift für Ostrecht gewesen sein. Während in der alten Zeitschrift ein verhältnismäßig sachlicher Stil vorlag und eine große Themenvielfalt herrschte, änderte sich dies ab 1934. Ein höheres Gewicht erhielten jetzt beispielsweise Volksgruppenfragen und Beiträge über die Judengesetzgebung.

Herausgeber der Zeitschrift für osteuropäisches Recht waren in den ersten Jahren ab 1934 die Staats- und Völkerrechtler Gustav Adolf Walz (während seines Rektorats bis 1937) sowie Axel Freiherr von Freytagh-Loringhoven (bis 1938/39), anschließend das Osteuropa-Institut. Beide Juristen waren dem Nationalsozialismus inhaltlich zugewandt. Die Redaktionsleitung übten die wechselnden Leiter der Rechtsabteilung des Instituts aus. Anfangs etwa war dies Reinhart Maurach, der in der Bonner Republik eine Karriere als Strafrechtsprofessor einschlagen und 1957 das Ostrechtsinstitut in München initiieren sollte. Dieses und weitere nach 1945 gegründete Institute für Ostrecht, etwa das in Hamburg, knüpften hierbei konzeptionell wie personell an das Vorbild des Breslauer Osteuropa-Instituts an.

Gustav Adolf Walz (1897–1948) war aus Überzeugung nationalsozialistischer Jurist und bereits 1933 an die „Stoßtruppfakultät“ nach Breslau berufen worden, wo er als Dekan und „Führerrektor“ Karriere machte. Der später als Überwachungskommissar der Universität Brüssel und ab 1942 als Leiter des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts in Agram (heute: Zagreb) eingesetzte Walz befürwortete eine völkische Änderung der Zeitschrift. Seinen nicht umgesetzten Vorschlägen zufolge sollte die Zeitschrift Recht und Staat im Ostraum heißen und nicht mehr primär der Information des Reiches über das Ostrecht dienen, sondern umgekehrt die Oststaaten über die NS-Rechtserneuerung informieren.

Der Baltendeutsche Axel Freiherr von Freytagh-Loringhoven (1878–1942), Preußischer Staatsrat und Mitglied des Ständigen Schiedshofs in Den Haag, war vormals DNVP-Reichstagsabgeordneter und später u.a. Vorsitzender des Kolonialrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht. Der radikal völkisch ausgerichtete Demokratiefeind und nationalistische Antisemit kam bereits 1918 an das neu gegründete Osteuropa-Institut nach Breslau. Nach 1933 war er u.a. Herausgeber der ganz auf NS-Linie befindlichen Zeitschriften Völkerbund und Völkerrecht sowie der Europäischen Revue, welche sich bevorzugt den nationalsozialistischen Europaplänen widmete.

Einschlägige Beiträge in der Zeitschrift für osteuropäisches Recht

1934/35 (1. Jg.)

Nikolaus Ujlakli, Das Schicksal des ungarischen Rechts auf den Jugoslawien angeschlossenen Gebieten, ZoeR 1934/35, S. 83–92

Ungarn. Übersicht über die wesentliche Gesetzgebung für die Jahre 1933/34, ZoeR 1934/35, S. 325 f.

Georg Rácz, Internationales aus dem ungarischen Strafrecht, ZoeR 1934/35, S. 365-375, 405–420

Georg Rácz, Die vom Königreich Ungarn abgeschlossenen und ratifizierten internationalen Staatsverträge (vom 1.1.1926 – 1.1.1935), ZoeR 1934/35, S. 530–541

1935/36 (2. Jg.)

Josef Chodzidlo, Gesamtüberblick über Abhandlungen und Entscheidungen betr. Ungarn in den innerhalb Deutschlands erscheinenden Zeitschriften der Jahrgänge 1933–1934, ZoeR 1935/36, S. 175–177

Anton Almási, Die Bedeutung des Gerichtsgebrauchs für das ungarische Privatrecht, ZoeR 1935/36, S. 195–217

Ungarn. Übersicht über die wesentliche Gesetzgebung für das zweite Halbjahr 1934 und die ersten drei Vierteljahre 1935, ZoeR 1935/36, S. 281

Peter Sebestyén, Die Entwicklung einiger Haftungen ohne Verschulden im ungarischen Privatrecht, ZoeR 1935/36, S. 315–326

Walter Krusch, Besprechung zu: Stefan Banyasz/Ernst Steinhaus: Wettbewerbsrecht und Markenschutz in Ungarn, ZoeR 1935/36, S. 495–498

Josef Chodzidlo, Gesamtüberblick über Abhandlungen und Entscheidungen betr. osteuropäische Staaten in den innerhalb Deutschlands erscheinenden Zeitschriften der Jahrgänge 1933 und 1934, ZoeR 1935/36, S. 624 f.

1936/37 (3. Jg.)

Paul von Angyal, Besprechung zu: Georg Rácz: Das Problem der Zulassung der Analogie im Strafrecht, ZoeR 1936/37, S. 131–134. (kop.)

Georg Rácz, Der strafrechtliche Schutz des Staates in Ungarn, ZoeR 1936/37, S. 206–217

Franz Váli, Zur neueren Entwicklung des internationalen Privatrechts in der ungarischen Rechtsprechung, ZoeR 1936/37, S. 397–403

Ungarn. Übersicht über die wesentliche Gesetzgebung für das letzte Vierteljahr 1935 und die ersten drei Vierteljahre 1936, ZoeR 1936/37, S. 469

Nikolaus Ujlakli, Die rechtsvereinheitlichen Bestrebungen der Nachfolgestaaten und das ungarische Privatrecht, ZoeR 1936/37, S. 561–583

1937/38 (4. Jg.)

Josef Chodzidlo, Gesamtüberblick über Abhandlungen und Entscheidungen in den innerhalb Deutschlands erscheinenden Zeitschriften der Jahrgänge 1935–1936 (Ungarn), ZoeR 1937/38, S. 64–67

Wolfgang Mettgenberg, Die Verträge und Vereinbarungen des Deutschen Reiches mit den Oststaaten über strafrechtliche Angelegenheiten. Eine Bestandsaufnahme, ZoeR 1937/38, S. 69–89 (Ungarn: S. 87–89)

Guido Gündisch, Die staatliche Zugehörigkeit von Handelsgesellschaften nach ungarischem Recht, ZoeR 1937/38, S. 293-296

Ungarn, Übersicht über die wesentliche Gesetzgebung im letzten Vierteljahr 1936 und in den ersten drei Vierteljahren 1937, ZoeR 1937/38, S. 364 f.

Stefan von Csekey, Die verfassungsrechtlichen Reformen in Ungarn, ZoeR 1937/38, S. 489–505

1938/1939 (5. Jg.)

István Arató, Das neue ungarische Gesetz über das Verfahren gegen exterritoriale Personen, ZoeR 1937/38, S. 243–247

Ungarn. Gesetz vom 29. Mai 1938 zur Sicherung des Gleichgewichts im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben (Judengesetz) – mit Vorbemerkung von Arató, ZoeR 1937/38, S. 311–318

Ungarn. Übersicht über die wesentliche Gesetzgebung im letzten Vierteljahr 1937 und in den ersten drei Vierteljahren 1938, ZoeR 1937/38, S. 376

István Arató, Die Einführung des ungarischen Rechts auf die mit Ungarn wiedervereinigten Gebiete, ZoeR 1937/38, S. 501–514

1939/40 (6. Jg.)

Ungarn. Übersicht über die wesentliche Gesetzgebung für die Jahre 1938/39, ZoeR 1939/40, S. 277

Gesetz vom 5. Mai 1939 zur Beschränkung des Judentums im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben – mit Vorbemerkung von Arató, ZoeR 1939/40, S. 278–292

Entscheidung vom 10.5.1939 – Anwendung der ungarischen Prozeßvorschriften in Prozessen von Ausländern – mit Vorbemerkung von Arató, ZoeR 1939/40, S. 311–313

István Arató, Die Rückfallerbfolge im neuen Entwurf zum ungarischen Privat-Rechtsgesetzbuch, ZoeR 1939/40, S. 366–370

Übereinkommen vom 18. Februar 1939 zwischen dem Königreich Ungarn und der Tschecho-Slowakischen Republik über Fragen der Staatsbürgerschaft, die sich aus dem Anschluß des durch den Schiedsspruch von Wien vom 2. November 1938 Ungarn zuerkannten Gebiete ergeben – mit Vorbemerkung von Arató, ZoeR 1939/40, S. 552–557

Gesetz vom 29. August 1939 über Änderung und Ergänzung des Gesetzes L v. J. 1879 betr. Erwerb und Verlust der ungarischen Staatsangehörigkeit – mit Vorbemerkung von Arató, ZoeR 1939/40, S. 557–562

1940/41 (7. Jg.)

Ungarn. Übersicht über die wesentliche Gesetzgebung für die Jahre 1939/40, ZoeR 1940/41, S. 278 f.

István Arató, Probleme der Wiedervereinigung der ostungarischen und siebenbürgischen Gebiete mit Ungarn, ZoeR 1940/41, S. 362–370

Gesetz vom 6.10.1940 über die Rückgliederung der befreiten östlichen und siebenbürgischen Landesteile zur Heiligen Ungarischen Krone und deren Vereinigung mit Ungarn, ZoeR 1940/41, S. 394–396

Gesetz vom 12.7.1940 über die Bestrafung einzelner Taten gegen die Sicherheit und die zwischenstaatlichen Interessen des ungarischen Staates – mit Vorbemerkung von Horvath, ZoeR 1940/41, S. 618–623

Gesetz vom 19.12.1940 über die Einschränkung und Aufhebung der strafrechtlichen Nebenfolgen – mit Vorbemerkung, ZoeR 1940/41, S. 623–631

Gesetz vom 19.4.1941 über den strafrechtlichen Schutz des Nationalgefühls – mit Vorbemerkung von Josef von Hegedüs, ZoeR 1940/41, S. 631–633

1941/42 (8. Jg.)

Walter Krusch, Ungarns Privatrechtsgesetzbuch, ZoeR 1941/42, S. 1–53

Abkommen vom 5.2.1941 zwischen dem Königreich Ungarn und der Slowakischen Republik über die gegenseitige Regelung einiger Fragen der Staatsangehörigkeit – mit Vorbemerkung von István Arató, ZoeR 1941/42, S. 101–107

Karl Gottfried Hugelmann, Die Vereinbarungen über die deutschen Volksgruppen in Ungarn und Rumänien in geschichtlicher Beleuchtung, ZoeR 1941/42, S. 235–277

Ungarn. Übersicht über die wesentliche Gesetzgebung im 4. Vierteljahr 1940 und in den ersten drei Vierteljahren 1941, ZoeR 1941/42, S. 313–316

Deutsch-ungarisches Protokoll über die Stellung der deutschen Volksgruppe in Ungarn vom 30.8.1940, ZoeR 1941/42, S. 331–333

Erich Volkmar, Der Rechtshilfeverkehr mit der Slowakei und Ungarn, ZoeR 1941/42, S. 351–356

István Arató, Rassenschutzmaßnahmen in der ungarischen Ehegesetznovelle, ZoeR 1941/42, S. 381–389

Josef von Hegedüs, Gesetz vom 2. August 1941 über die Ergänzung und Abänderung des GA. XXXI: 1894 über das Eherecht sowie über die im Zusammenhang damit erforderlichen Rassenschutzbestimmungen, ZoeR 1941/42, S. 416–422

1942 (9. Jg.)

János Csiky, Die gesetzliche Regelung der Judenfrage in Ungarn, ZoeR 1942, S. 60–72

1943 (10. Jg.)

Guido Gündisch, Die Gründung von Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften in Ungarn, ZoeR 1943, S. 66–75

Gesetz über Strafbestimmungen gegen einzelne Mißbräuche im öffentlichen Leben (G.A. 1942) – mit Vorbemerkung von Csandádi, ZoeR 1943, S. 123–129

Ungarn. Übersicht über die wesentliche Gesetzgebung im 4. Vierteljahr 1941 und im Jahre 1942, ZoeR 1943, S. 131–134

Tabelle der von Ungarn in den Jahren 1935–1942 ratifizierten und kundgemachten zwischenstaatlichen Verträge, ZoeR 1943, S. 236–249

Ungarn. Wenn auch nach rumänischem Recht die Wiederaufnahme eines Prozesses ausgeschlossen ist, das ungarische Gesetz dieser aber zuläßt, können alle vor dem in der Verordnung 8280/1940 M.E: des Ung. Kgl. Ministeriums festgelegten Datum laufenden Prozesse weitergeführt werden, ZoeR 1943, S. 267 f.

Die auf dem Gebiete der Sowjetunion geregelte Ehe ist im Vergleich zur ungarischen Ehe inhaltlich eine wesentlich verschiedene Institution, ZoeR 1943, S. 270–274

1944 (11. Jg.)

Ungarn. Übersicht über die wesentliche Gesetzgebung im Jahre 1943, ZoeR 1944, S. 122 f.

Gesetz vom 27.12.1941 über die Rückgliederung der rückeroberten südungarischen Gebiete zur Heiligen Ungarischen Krone und deren Vereinigung mit Ungarn, ZoeR 1944, S. 123–125

István Arató, Gesetz über die Förderung der Aufnahme in die Familie und der Unterhaltsgewährung, ZoeR 1944, S. 125–129

Neue Verordnung über die Regelung der Judenfrage, ZoeR 1944, S. 129 f.

Josef von Hegedüs, Die Rechtslage der israelitischen Glaubensgemeinschaft G.A. VIII:1943, ZoeR 1944, S. 130–132

Bibliographie zu Ungarn, ZoeR 1944, S. 211–215

Forschungsliteratur

Hans-Jürgen Bömelburg, Das Osteuropa-Institut in Breslau 1930-1940. Wissenschaft, Propaganda und nationale Feindbilder in der Arbeit eines interdisziplinären Zentrums der Osteuropaforschung in Deutschland, in: Michael Garleff (Hrsg.): Zwischen Konfrontation und Kompromiß. Interethnische Beziehungen in Ostmitteleuropa als historiographisches Problem der 1930er/1940er Jahre, München 1995, S. 47–72

Thomas Ditt, Die „Zeitschrift für Ostrecht“ (1927–1934), in: Vanessa Duss (Hrsg.): Rechtstransfer in der Geschichte. Legal Transfer in History. München 2006, S. 309–321

Thomas Ditt, „Stoßtruppfakultät Breslau“. Rechtswissenschaft im „Grenzland Schlesien“ 1933–1945. Tübingen 2011

Otto Luchterhandt, Ostrecht, in: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012 (Stand 22.11.2021) (Link)

Otto Luchterhandt, Die Abteilung für Ostrechtsforschung (1953–2008), in: Tilman Repgen, Florian Jeßberger, Markus Kotzur (Hrsg.), 100 Jahre Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg, 2019, S. 523–542

Viktor Nerlich, „A Baltico ad Euxinum“. Reinhart Maurach und die Frühzeit der deutschen Ostrechtsforschung, Berlin 2015