Die Übernahme deutscher Regelungen auf dem Gebiet der Rassenhygiene bzw. der Eugenik im ungarischen Recht wird anhand des ungarischen Eheänderungsgesetzes vom 2. August 1941 (GA. XXXI: 1894) deutlich. Dieses regelte die Ehe unter erbgesundheitlichen und rassenpolitischen Gesichtspunkten mit signifikanten Parallelen zum NS-Recht, namentlich dem Gesetz über die Förderung der Eheschließungen (1933), dem Blutschutzgesetz (1935), dem Ehegesundheitsgesetz (1935) und dem Ehegesetz (1938) einschließlich der dazugehörigen Durchführungsverordnungen. Diese Gesetze und Verordnungen dienten der ungarischen Gesetzgebung als Vorbild. Die rassenpolitische Komponente des ungarischen Eheänderungsgesetzes ergab sich u.a. aus § 9, welcher ein „Mischehenverbot“ zwischen „Juden“ und „Nichtjuden“ festschrieb (dazu: Entrechtung der Juden).
In eugenischer Hinsicht finden sich Anlehnungen an das NS-Recht (trotz der Unterschiede im Detail) in insgesamt vier Regelungen des ungarischen Eheänderungsgesetzes: §§ 1 und 3 regelten das Ehetauglichkeitszeugnis als Voraussetzung für die Bestellung des Eheaufgebots durch die Verlobten und etablierten damit gleichzeitig ein volkshygienisches Ehehindernis bei Vorliegen bestimmter Krankheiten. § 5 normierte die Vergabe von Ehestandsdarlehen zur Förderung „gesunder“ Ehen und § 6 sah die Möglichkeit einer Anfechtung der Ehe bei Irrtum eines Ehegatten über den Gesundheitszustand des anderen Ehegatten vor. Der deutschen und ungarischen Gesetzgebung ging ein bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzender Diskurs voraus, an dem Rassenhygieniker aus Deutschland, Österreich und Ungarn in regem Austausch beteiligt waren.
Quellen
József Hegedűs, Gesetz vom 2. August 1941 über die Ergänzung und Abänderung des GA. XXXI: 1894 über das Eherecht sowie über die im Zusammenhang damit erforderlichen Rassenschutzbestimmungen, ZOER 1941, S. 416–422
Forschungsliteratur (Auswahl)
Helen Abram, Ehegesundheit – Überblick über die Entwicklungen anhand der Gesetzgebung im „Dritten Reich“ und internationale Dimensionen, Díké 2019, S. 3–18
Helen Abram, Der Arzt als „Verwalter des Rassengutes“? Eugenische Eheberatung in der deutschen und ungarischen Gesetzgebung bis 1945, Díké 2022
Eszter Cs. Herger, Eherecht in Ungarn (1918–1945), in: Martin Löhnig (Hrsg.), Kulturkampf um die Ehe, Reform des europäischen Eherechts nach dem Großen Krieg, 2021, S. 41–81 (insb. S. 74 ff.)
Asmus Nitschke, Die „Erbpolizei“ im Nationalsozialismus, Zur Alltagsgeschichte der Gesundheitsämter im Dritten Reich“, Das Beispiel Bremen, 1999
Jennifer Reh, „Rassenhygiene“ im „Dritten Reich“ – spezifisch nationalsozialistisches Unrecht?, GRZ 2020, S. 37–46
Gábor Szegedi, Good Health is the best Dowry: Marriage counselling, premarital examinations, sex education in Hungary 1920–1952, 2014
Marius Turda, In Pursuit of Greater Hungary: Eugenic Ideas of Social and Biological Improvement, 1940–1941, The Journal of Modern History 85 (2013), S. 558–591